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"... erkennt, meine Freunde, was Bilder sind:

das Auftauchen an einem anderen Ort.“

Franz Marc, Aphorismus Nr. 82, 1914/15


Einheit in der Vielfalt – Selbstbildnis und Aquarellmalerei bei EVA & ADELE

Andreas Schalhorn


Mit ihrer Ausstellung im Nordiska Akvarellmuseet gewähren EVA & ADELE Einblick in ein bislang wenig bekanntes Segment ihres malerischen Schaffens. Dieses stellt einen wesentlichen Bestandteil der Modellierung des „Images“ von EVA & ADELE dar, das sich in einer Vielzahl an Bildern entfaltet. Letztere setzen oftmals auf den Medientransfer zwischen Fotografie und Malerei oder Zeichnung unterschiedlichsten Formats, entstehen aber auch als reine Video- oder Fotoarbeiten.

Viel ist über die Bedeutung der zwillingshaften Einheit von EVA & ADELE geschrieben worden, die sich selbst durch den gezielten Gebrauch ihrer Porträts als Doppelikone, Logo, Medienstars definieren und definieren lassen. In dem Bilduniversum, das sich dabei entfaltet, nehmen die ausgestellten Werkserien „Transformer-Performer“ und „EVA & ADELE Futuring Company“ einen besonderen Platz ein. Auf unterschiedliche Weise veranschaulichen sie die Bildphilosophie von EVA & ADELE.

Bei „EVA & ADELE Futuring Company“ handelt es sich um eine Folge von gut 150 durchgehend querformatig angelegten Aquarellen. Viele der Blätter sind mit einem rechteckigen Stempel versehen, der als Schriftzug den Titel der Serie enthält. Die ersten Arbeiten dieser bis heute fortgesetzten Folge entstanden 1997. Jedes einzelne Blatt ist mit „EVA & ADELE“ signiert, zudem vielfach mit einem ovalen Stempel ergänzt. Er enthält den Slogan „Over the boundaries of gender“. Eine Datierung der Blätter fehlt. Offen bleibt auch, wer von den beiden welchen Anteil an der Entstehung der Werke hat. Stempel und Signatur machen vielmehr deutlich, dass es nicht um eine klassische Autorenschaft geht. Die Frage der Händescheidung ist nicht relevant: EVA & ADELE sind das „Unternehmen“, das die Werke erstellt und für das eigene Kunstkonzept nutzt.

Jedes Aquarell konzentriert sich auf die nahsichtige Erfassung der Gesichter von EVA & ADELE. Als Grundlage dienten fotografische Selbstporträts, die aus der eigenen Umkreisung mit der Kamera entstanden. EVA & ADELE werden dabei in unterschiedlichen Affekten und Aktionen festgehalten, die im Einzelfall erotische Konnotationen besitzen können. Diese werden durch das Prinzip von Reihe und Variation jedoch in ihrer Brisanz abgeschwächt.

Ihre geschminkten Gesichter werden in den Aquarellen, die teilweise mit einigem zeitlichen Abstand zu den Fotos entstanden, nicht einfach detailgetreu kopiert, sondern neu ins Werk gesetzt. Der Akt des Stylens ihres ikonisch wirksamen „Doppelgesichts“ wird im Auftrag der Wasserfarbe auf dem Papier gleichsam wiederholt. EVA & ADELE spiegeln im Medium der Malerei auch ihr tägliches Kostümieren, das wie das Schminken der gezielten Veränderung des natürlichen Aussehens dient. Das Design, das dabei entsteht, wird EVA & ADELE zur artifiziellen und dabei eigentlichen Natur. Dieser künstlichen Umgestaltung unterziehen sich EVA & ADELE Tag für Tag, ehe sie innerhalb oder außerhalb ihrer vier Wände mit der Öffentlichkeit in Kontakt treten – egal, ob es sich dabei um den angemeldeten Atelierbesucher oder die Menschen im Supermarkt nebenan handelt.

Während bei den Arbeiten der 1997 im Sprengel Museum Hannover ausgestellten Serie „CUM“ die Fotoporträts von EVA & ADELE von Dritten geliefert wurden, die eben dieser vielfältigen Öffentlichkeit angehören, ist es bei „EVA & ADELE Futuring Company“ das Künstlerpaar selbst, das den Auslöser der Kamera betätigt. Diese Praxis der spielerisch-systematischen Selbstvergewisserung gehört übrigens zu den täglichen Ritualen der Prüfung ihres Outfits. Bei diesem Akt der Kontrolle und Dokumentation begnügen sich die beiden mit Polaroidfotos.

Die Aquarelle, die sich durch die Verweigerung einer Datierung der chronologischen Anordnung entziehen, sind ausgesprochen vielfältig. Mal sind sie mehr zeichnerisch, mal mehr flächig-malerisch angelegt, wobei die Farbwahl variiert. In manchen Blättern kann man Zitate künstlerischer Stile (Picasso, Matisse, Clemente) erkennen, gerade was die farbige Steigerung und die Abstraktion der Darstellung anbelangt. Stilelemente werden von EVA & ADELE wie wandelbare Moden benutzt – mit Virtuosität und feiner Ironie. In anderen Blättern rückt die malerische Übersteigerung der fotografischen Rohdaten an das heran, was man als Kitsch bezeichnen kann. Das selbstbewusste wie gleichgültige Anwenden eines kitschig-trivialen Stiles auf das eigene Doppelbild erinnert an die Kunst eines Francis Picabia, ist dabei aber vom aggressiven Zynismus eines Martin Kippenberger, der gleichfalls mit Stiladaptationen arbeitete, weit entfernt. Das „gute“ (stilvolle) und das „schlechte“ (kitschige) Bild sind bei EVA & ADELE kein Widerspruch, sondern gleichberechtigte Sprachen der Überformung des eigenen Porträts. Hierin liegt für den Betrachter ein Moment der Irritation. Es entspricht dem offensiven Akt, mit dem sich EVA & ADELE seit zwölf Jahren als unwirklich-wirkliche „Setzung“ jeden Tag von Neuem einbringen. Das Inszenierte dieser Setzung spielt auch in den Aquarellen eine tragende Rolle. Die in den Gesichtern und ihrer Interaktion aufscheinenden Emotionen sind ebenso wahr wie theatralisch: Selbstvergewisserung und Rollenspiel sind in der behutsamen Umsetzung in Malerei unzertrennlich miteinander verwoben.

Der Titel der Werkserie, „EVA & ADELE Futuring Company“, operiert mit dem englischen Partizip „Futuring“, das eine vielsagende Erfindung der Künstler ist. Diese fügen in ihren Publikationen an Stelle der üblichen Angaben zu Geburtsdaten und Geburtsorten als einzige Auskunft an: „EVA & ADELE: COMING OUT OF THE FUTURE.“ Steht „FUTURING“ damit für „zukunftsfähig machen“, „in die Zukunft überführen, transformieren“? Der Aspekt einer magischen, fast surrealen Verwandlung des Gegenwärtigen, der schon zu ihrem öffentlichen Agieren gehört, scheint hier auf die Ebene der Kunst übertragen, die von EVA & ADELE allen herkömmlichen Stilregeln enthoben wird.

Ihre Malerei wie ihre Bildpräsenz fordern und praktizieren eine Grenzüberschreitung jenseits stilistischer Fixierungen Konventionen von Kunst.

Diese Grenzüberschreitung verdeutlichen EVA & ADELE auch mit ihrer geschlechtlichen Zwitterrolle. Auf diese verweist in den Aquarellen der Stempel „Over the boundaries of gender“. Für die Arbeiten könnte aber auch gelten: „Over the boundaries of style“: Nur mit diesem Postulat im Kopf kann man der schillernden, überbordenden Vielfalt der figurativen Setzungen auf dem Papier gerecht werden, die eine Analogie bilden zu den vielen Fotografien, die Dritte von und mit EVA & ADELE machen. Auch diese Bilder sind, ihrem Status als Amateuraufnahmen entsprechend, nicht einem einheitlichen Stilniveau verpflichtet. Wie in den Aquarellen kann es zu unfreiwilligen Verzerrungen der Abgelichteten kommen, die aber als Bestandteil der Bildproduktion von EVA & ADELE akzeptiert werden.

Der Bildbegriff von EVA & ADELE, der das wiederholte, Stilgrenzen negierende Ausloten von Darstellungsmitteln und Ausdruckswerten in ihren Aquarellen bestimmt, kann nur funktionieren, weil die beiden sich Anfang der neunziger Jahre zu einer zukunftsweisenden Marke formierten. Dieser Schritt bedeutete die Überwindung eines individuellen künstlerischen Stils im konventionellen Sinne, wie ihn jeder der beiden vor der Vereinigung zu EVA & ADELE besaß. Dies bezeugt die Serie mit dem Titel „Transformer-Performer“, eine früh begonnene und erst jetzt für EVA & ADELE „innerlich“ abgeschlossene Werkgruppe. Die Verwandlung zweier Künstler zu einer künstlerischen Einheit von performativem Charakter verdeutlichen diese nun erstmals ausgestellten großformatigen Arbeiten. Jede zeigt als dominierendes Motiv das Herzlogo mit den beiden aneinandergefügten Köpfen von EVA & ADELE, das seit den frühen neunziger Jahren in ihrem Werk immer wieder auftaucht. Als Malgrund des Logos fungiert jeweils eine auf Leinwand aufgezogenen Gruppe von Zeichnungen oder Gemälden auf Papier. EVA & ADELE entfernten mit der Schere bei diesen Blättern die Partie mit der Signatur. Mit ihrer regelmäßigen und flächendeckenden Anordnung bilden diese eine Art Tapete. Auf diesen Fond setzten sie mittels Diaprojektion dann das besagte Logo – das erste dieser Art.

Die mit dem Logo unmissverständlich markierte Einheit von EVA & ADELE erhebt sich buchstäblich über ihre eigene Vorgeschichte als Einzelkünstler, für die diese frühen Blätter einstehen. Das Logo wird so zum Symbol ihrer künstlerischen Zukunft.

Es deckt sich mit der einheitlichen und kontinuierlichen Performance von EVA & ADELE, zu der nicht nur Kostüm und Make-Up, sondern auch innere Haltung und Konzept gehören. Diese Performance erst ermöglichte die mediengebundene Etablierung ihres Images, das im Herzlogo zu seiner graphisch markanten Form findet. Die im Logo visuell fixierte Einheit von EVA & ADELE bildet den Rahmen, der es dem Künstlerpaar erst ermöglicht, in den Aquarellen der „EVA & ADELE Futuring Company“ Variationen zum Thema ihrer beiden Köpfe als einem, wenn nicht dem Hauptgegenstand ihrer medialen Präsenz zu entfalten. Diese Variationen bestechen durch ihre Vielseitigkeit und damit Freiheit. Sie verkörpern gemäß ihrem Titel vielleicht die Zukunft einer gleichzeitig stilvollen wie im positiven Sinn stillosen Malerei. Das im Herzlogo verdeutlichte Prinzip der Einheit umfasst die Aquarelle als Facetten der künstlerischen Paraphrase ihres ikonenhaften Images. In ihrem multimedialen Reich verorten sich EVA & ADELE (vergleiche das Zitat von Franz Marc am Anfang) jeden Tag neu – und erfinden sich damit auch als Bilder immer wieder von Neuem.

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