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Rundum rosige Aussichten

Mark Gisbourne

Gut möglich, dass das Leben nicht so einfach ist, wie es die leicht hingeschriebene Redewendung im Titel meines Essays nahelegt. Doch sollte vielleicht gleich zu Anfang klar gesagt sein, dass Leben und Werk von EVA & ADELE diesen Titel in vieler Hinsicht rechtfertigen. Eine Redewendung ist eine für ihre jeweilige Sprache charakteristische Ausdrucksweise und, so könnte man behaupten, im weiteren Sinn auch der Ausdruck einer bestimmten Lebensart. Wenn man so will, dann ist das Idiom der Kunst EVA & ADELEs Lebensart, und es ist daher zugleich ihr persönliche Sprache und die Sprache der Kunst, die sie erzeugen. Eine deutliche oder gar forcierte Unterscheidung zwischen ihrem Leben und ihrer Kunst festzustellen, ist unmöglich. Kunst ist buchstäblich das, was sie sind und was sie produzieren. Bevor sich das nun all zu schnell nach Autonomie und innerer Ruhe anhört, nach beide in einem, ein jeder im Ganzen, und so weiter, sei gleich hinzugefügt: Es ist etwas, um das man jeden Tag von Neuem ringen muss. Wer EVA & ADELE persönlich begegnet, ist sofort von der umfassenden Disziplin und Selbstorganisation beeindruckt, die den Kern ihres täglichen Lebens ausmachen. Wenn sie also sagen: "Wo immer wir sind, ist Museum", dann ist das nicht bloß mutwillig dahergeredet, egal welche philologischen Ausführungen andere diesem Satz auch angehängt haben mögen. Denn er dient ihrer Absicht, sich selbst als Entsprechung oder lebendige Form einer boîte en valise (1) zu offenbaren. Das Museum ist ihr Leben, und ihr Leben ist ihr Museum. Sie gehen ein Risiko ein, indem sie diese Position einnehmen, denn sie stellen damit den inneren Gegensatz in Frage, den das Leben der meisten Menschen aufweist - gemäß der Behauptung Pirandellos, man könne "das Leben entweder leben oder schreiben, aber nicht beides", was übertragen auf die bildende Kunst in etwa bedeutet, dass man entweder ein Leben erschaffen oder selbst eines leben kann. Und doch sieht es ganz so aus, als sei es EVA & ADELE in den letzten fünfzehn Jahren gelungen, eine Synthese aus diesen bisher getrennten Wirklichkeiten zu erzielen.

Die neuen Malereien von EVA & ADELE - von ihnen Mediaplastic genannt - sind nur ein natürliches Ergebnis und eine Akkumulation des Museumslebens, das sie führen. Die Arbeiten schöpfen entweder aus dem Archiv ihres Lebens, oder sie sind lesbar als das Leben, wie es sich im Archiv manifestiert. (2) Und da beider Leben dem verschrieben sind, was sie FUTURING, das "Zukunften", genannt haben, ist ihnen die gleichzeitige Wirklichkeit von erstem Ursprung und abschließendem Ergebnis dieser großformatigen Gemälde streng genommen immer ein Stück weit voraus. Die Bilder aus den Medien, die sie in Malereien übersetzt haben, sind nicht einfach Ereignisse, wie sie buchstäblich stattfanden oder stattfinden. Im Gegenteil: EVA & ADELE werden irgendwann einmal das sein, was ihre Bilder verkünden. Ein Werk wie Mediaplastic No. 55, Richtig Reisen Berlin (1993-2004) kann man in dieser Hinsicht als allgemeine Metapher verstehen. Es stellt zwar EVA & ADELEs Hochzeit dar (die Performance-Zeremonie fand 1991 bei Metropolis im Martin Gropius Bau statt), hat aber dennoch mit einem immer und unausweichlich in die Zukunft gerichteten Vorhaben zu tun. Die Malereien der beiden sind eine dezidierte Form "futurisierter" Projektion, ein tägliches Werden des Ehelebens, das in der Zukunft stattfinden soll. Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis ihrer gemeinsamen, fröhlichen Persönlichkeiten. Die Malereien existieren im Zustand eines Schwellenkontinuums und sind zugleich eine detaillierte, genaue Referenz oder Aufzeichnung. Für das menschliche Ohr scheint das jedem Sinn Hohn zu sprechen, denn EVA & ADELEs gesamtes Werk und alles, was sie tun, speist sich aus Medienbildern, die erst aufgrund der Ereignisse in ihrem Leben entstanden sind. Außerdem deutet der Bezug auf das Museum doch offenbar auf die Vergangenheit hin, und damit auf eine Institution, die traditionell Vergangenheit ansammelt. Aber es ist nicht immer und notwendig unlogisch, dem Betrachter einen Widerspruch vorzuführen. Tatsächlich muss dieser Widerspruch in der Zukunft aufgelöst werden (er lässt sich auch nur in der Zukunft auflösen), und genau das ist es ja, was EVA & ADELE tun - FUTURING. (3) Dass sie ihr Leben wie eine künstlerische Performance führen, wird häufig nur als eine Auseinandersetzung mit Geschlechterkonstruktionen diskutiert. Doch eigentlich beziehen EVA & ADELE eine Position jenseits von geschlechtlichen Identitäten und heben eher die herkömmlichen Auffassungen von Gender aus den Angeln. Die stereotypische Zwitterpose, die ihnen immer wieder zugeschrieben wird, widerspricht nicht nur den Tatsachen; sie wird von den beiden auch durch ihr ironisches Posieren als geflügelte Engel in einem Gemälde wie Mediaplastic No. 12, Basler Zeitung (1995-2003) mit Entschiedenheit verwischt. (4) Was sie uns statt dessen anbieten, ist ein dritter Weg und alternativer Zugang zu einer Identität in ständiger Weiterentwicklung. (5) Ihn beanspruchen ihre Malereien ebenso wie ihre Lebensanstrengungen.

Dagegen ist es grundsätzlich falsch, EVA & ADELEs Arbeit ausschließlich in den Begriffen eines differenzierten oder heterogenen Stils zu bewerten. Denn die stilistischen Elemente folgen konzeptuellen Entscheidungen und gehorchen der Strategie des FUTURING. Auch dient ihr Einsatz greller Farbkontraste, unterschiedlichster Flecken und Kratzer, flächiger Elemente, bis hin zu einem klecksigen Pointillismus und Divisionismus, neben eine Vielzahl wie gestochener Pinselstriche und Muster, einem besonderen Zweck. In einer relativ flachen Malerei wie Mediaplastic No. 197, HNA (2000-2004) zeigen sich die beiden abgesetzt vor dem Hintergrund eines Farbfeldes, das in allen Farben des Regenbogenprismas schillert. Sie spielen mit konzeptuell generierten Ritualen, die sich um Fragen der Geschlechterbestimmung drehen. Auch der Einsatz von Kitschfarben entspricht dem Konzept einer subversiven Ausdrucksform, denn diese Farben haben keinen maßgeblichen Bezug zu den Publikationen, denen sie entnommen wurden, noch wollen sie als ein solcher Bezug verstanden werden. "Kitsch", ebenso wie das zugehörige Verb " verkitschen" und das Adjektiv "kitschig", bezeichnet gewöhnlich einen vorsätzlichen Ausdruck von schlechtem Geschmack. Aber wenn EVA & ADELE hier mit Vorliebe aus dem Vollen schöpfen, dann tun sie das im Interesse einer ironischen Strategie, die nur der Kitsch vermitteln kann. Denn die sokratischen Ursprünge der Ironie liegen gerade darin, eine Bedeutung zu vermitteln, die das Gegenteil der wortwörtlichen Bedeutung ist. Das erinnert nicht zuletzt an Oscar Wildes amüsanten Aphorismus, nach dem "Bescheidenheit eine tödliche Sache" sei, und "nichts so erfolgreich wie Übertreibung". (6) Immerhin: Der eigenwillige Umgang mit Farbe bestimmt auch jedes Detail im Alltag von EVA & ADELE. Mit ihrer ausgeprägten Vorliebe für Rosa verwirklichen sie den Inhalt der (englischen) Redewendung in meinem Titel, die in ihrer wortwörtlichen Bedeutung das Hochgefühl bezeichnet, sich rundherum wohl zu fühlen. Das verleiht auf witzige und hintersinnige Art ihrem Leben und dessen Ereignissen eine Farbigkeit, die sie sehr deutlich in ihrer Kleidung, Schminke und Wohnungseinrichtung zum Ausdruck bringen: als genaue Spiegelung einer Verfassung, in der man das ganze Leben durch eine rosa Brille sieht.

Es ist offensichtlich, dass EVA & ADELE sich gegenüber vergangenen Ereignissen immer wieder neu positionieren können, indem sie beliebig vermehrbare Illustrationen aus allen möglichen Zeitschriften und Magazinen verwenden. Doch auch hier gilt, dass sie dies nur erreichen, indem sie gezielt auf Ähnlichkeit setzen. Denn während jede Malerei sich von der anderen unterscheidet, bleibt die Bandbreite der Motive unverändert: Alle Bilder sind Selbstdarstellungen von EVA & ADELE. Stellt man etwa die Arbeiten Mediaplastic No. 49, Morgenavisen Jyllandsposten (1993-2003) und Mediaplastic No. 24, Blick (1993-2004) einander gegenüber, dann zeigt sich, dass die Komposition der Pose nahezu dieselbe ist und sich vielleicht sogar von derselben Bildquelle ableitet. Doch diese Tatsache hat keinerlei Bedeutung, denn was die Ausführung betrifft, sind die beiden Gemälde sehr verschieden. Das führt uns zu der Frage, ob diese Werke nun tatsächlich Selbstporträts sind oder nicht. Auf einer bestimmten Ebene sind sie es offensichtlich, aber auf einer anderen ließe sich genau das Gegenteil behaupten. Ein Selbstporträt würde nämlich voraussetzen, dass EVA & ADELE versuchen, ein Gefühl für das Ich oder, wie in ihrem Fall, zumindest für ein gemeinsames Ich zu offenbaren. Doch nichts widerspräche der Intention der beiden mehr als das. In den vergangenen fünfzehn Jahren (sie fanden 1989 zueinander und bilden im wesentlichen seit 1991 das Paar EVA & ADELE) haben sie sich der Auslöschung ihrer vorherigen Identitäten gewidmet mit der Folge, dass von dem, was sie vorher waren und wo sie herkamen, heute so gut wie nichts mehr übrig ist. Wieder stoßen wir auf ein inhaltlich kompliziertes Paradoxon, denn etwas zu enthüllen suggeriert eine Offenbarung, und eine Offenbarung bezeichnet ein Ereignis der Zukunft, das sich in der Gegenwart manifestiert. Die ursprünglichen, den Medien entnommenen Bildvorlagen sind fotografische Porträts von Berühmtheiten - soviel ist klar. Doch EVA & ADELE scheinen nicht wirklich an Berühmtheit als Selbstzweck interessiert. (7) Ihre Geldprobleme und ihr mühsamer künstlerischer Alltag in den vergangenen zehn Jahren belegen das zur Genüge (8). Obwohl man versucht sein könnte, Analogien zu Warhols Faszination für Berühmtheit oder zu Gilbert & Georges Auffassung der Performance als lebendiger Skulptur herzustellen, ist keine dieser Positionen für ein Verständnis von EVA & ADELEs Werk wirklich relevant. Denn Andy Warhol interessierte sich für den Stumpfsinn eines Bildes und für die Grenzen des Ruhms. Er praktizierte eine Art fröhlichen Skeptizismus, während Gilbert & George sich in erster Linie mit bestimmten narrativen Inhalten in ihrem Leben befassen, seien diese nun heilig, profan, oder ganz einfach nur erbärmlich. (9) Bei EVA und ADELE gibt es keine eigentliche Geschichte zu erzählen, denn sie sind, was sie sind: ein Palimpsest ständig neuer Überschreibung, das bei den wichtigen Ausstellungseröffnungen von Tokio bis New York erscheint, ob bei einer der immer zahlreicheren Biennalen, oder bei der alle fünf Jahre stattfindenden Dokumenta.

Ihre rasierten Köpfe und ihre extravagante, eigenhändig entworfene Kleidung und Schminke deuten auf übertriebene Egozentrik hin, doch dieser Eindruck verflüchtigt sich augenblicklich, sobald man EVA & ADELE begegnet. Tatsächlich gehören sie zu den charmantesten und ausgeglichensten Menschen überhaupt. Obwohl ihr Erscheinungsbild offensichtlich einem persönlichen Bedürfnis entspricht, ist es vor allem eine Herausforderung an die Adresse all jener, die sich aus Unsicherheit gerne in den Konformismus flüchten. Die beiden würden akzeptieren, dass es sich dabei um eine Maske handelt - allerdings um eine transparente Maske, bei der Inneres und Äußeres weitgehend eins sind. Auch darin liegt ein Widerspruch begründet. Und es ist dieser Aspekt der Inszenierung, der viele Betrachter am meisten verstört, was meine obige Behauptung einer Synthese zwischen Kunst und Leben bestätigt. In Mediaplastic No. 99, Die Tageszeitung - Berlin (1989-2004), einem ihrer frühesten, in eine Malerei übersetzten Medienbilder, essen sie für die Kamera wonnevoll ein Eis. Dabei stellen sie eine gemeinsame Intimität zur Schau, die niemand je zulassen würde, der ernsthaft an Berühmtheit interessiert ist. Die Vereinbarung, die sie anbieten, besteht darin, dass man ihnen einen Abzug des Bildes zuschickt. Indem sie die bedrohliche Intimität eines Lebens in Freiheit zeigen - ganz anders als die Intimität, die rund um die mediengenerierte Berühmtheit konstruiert wird - begegnen wir dem Wesen dessen, was ihre Persönlichkeiten so entwaffnend macht. Ihre Bereitschaft, mit absolut jedem zu reden und ein Lächeln auszutauschen, ist beunruhigend in unserer zunehmend paranoiden Welt, in der es bereits als naturgegeben hingenommen wird, verdächtig zu sein. In Mediaplastic No. 83, Egoiste (1992-2004) war das Interessante an der Übertragung von Medienbildern wahrscheinlich, dass dieser Vorgang einen Widerspruch zwischen der Illustration eines intimen, persönlichen Augenblicks und dem übersteigerten Titel des Magazins herstellt. Nicht zuletzt waren mehrere von EVA & ADELEs Videodokumentationen, ihre Polaroidfotos, die sie während des Schminkens machten und auch ihr Leben im eigenen Wohnmobil ausführlicher öffentlicher Betrachtung ausgesetzt. (10) Man bekommt genau das, was man sieht. Aber das, was man sieht, ist peinlich genau geplant, strukturiert und von einer rigoros durchgehaltenen Intention geleitet. Es ist eine Performance, aber es ist das Leben als Performance oder, in den Worten Shakespeares: "Die ganze Welt ist Bühne, und alle Frauen und Männer bloße Spieler, sie treten auf und gehen wieder ab." (11) Bei jedem Ereignis, das sie besuchen, kennen EVA & ADELE mit Sicherheit ganz genau den Ort und Zeitpunkt ihres Auftritts und Abgangs. Und wenn sie uns aus Bildern wie Mediaplastic No. 138, Street Memo (1997-2004) oder Mediaplastic No. 18, El Paìs (1992-2004) ansehen, können wir nur noch raten, wer hier verwirrt ist - der Betrachter, oder die Betrachteten. Bei Mediaplastic No. 18, El Paìs sind es jedenfalls die Gesichter der Betrachter, die verblüfft wirken, während jene mechanische Neutralität, die eine Kamera implizit behauptet, durch ein Gemälde ersetzt worden ist.

Ausdrücklich muss man darauf hinweisen, dass EVA & ADELE (Eva hat Malerei studiert, Adele Bildhauerei) nicht einfach Fotos abmalen, oder zumindest nicht als Selbstzweck. Sie sind auch nicht an der Neutralität des Fotos interessiert, nach der ein Gerhard Richter strebt. (12) Sie malen einen Augenblick oder ein Ereignis, zu dessen mechanischer Rekonstruktion zufällig das fotografische Bild dient, was nicht verwundert, da in der modernen Welt das Foto die Erzählung als wichtigste Dokumentation von Ereignissen ersetzt hat. Die Fotografie ermöglicht den beiden ihre Arbeit. Hinsichtlich übergeordneter, rein künstlerischer Ziele bestimmt die Fotografie aber nicht, was sie sind. Das mag ein bisschen sehr nach Semantik klingen, aber das riesige Archiv in ihrer Wohnung und ihrem Atelier in Berlin ist immer an ein fortlaufendes visuelles Projekt oder eine Zielvorgabe gebunden. Es dient ihnen als Ressource, um der Zukunft Ausdruck zu verleihen, und ist nicht einfach eine Ansammlung ihrer Vergangenheit. Auch ist EVA & ADELEs Hinwendung zu großformatigen Malereien in den letzten Jahren eine Folge der allmählichen Ausdehnung ihres Lebensprojektes. Das lässt sich anhand wesentlich früherer Beispiele wie den Gemälden Mediaplastic No. 8, Elle (1992-93) oder Mediaplastic No. 9, Hör Zu (1992-94) gut belegen - letzteres zeigt die beiden vor dem Friderizianum anlässlich Jan Hoets Dokumenta 9 im Jahr 1992. Die Rückkehr zu großen Formaten, wie sie die gegenwärtige Ausstellung belegt, ist ein Hinweis auf den gleichzeitigen Einsatz verschiedener Mittel während der gesamten Zeit, in der die beiden nun zusammen leben. Deshalb ist es trügerisch, ihr Werk in Begriffen der Chronologie oder linearen Entwicklung zu interpretieren. Arbeiten wie Mediaplastic No. 118, Arte e Persone a Venezia (1995-2004), oder auch Mediaplastic No. 23, Flash Art (1990-2003) lassen sich nicht auf dem Weg einer vergleichenden Bewertung stilistischer Entwicklungen oder Perioden interpretieren. Diese Arbeiten sind nicht kunsthistorisch, sonden "zukunftshistorisch", also Beispiele einer Zukunft, die erst noch stattfinden muss. Alles andere würde den zentralen Grundsatz ihrer gemeinsamen Arbeit - nämlich das FUTURING - unterminieren, und einen zukünftigen Stil oder eine Periode kann es immer erst geben, wenn beides bereits entstanden ist. Damit soll aber die Tatsache nicht geleugnet werden, dass bei den Liveperformances von EVA & ADELE ein bestimmter Stil zum Ausdruck kommt. Es ist nur so, dass sie sich sowohl bei ihren Performances, als auch in ihrer Mediaplastic-Malerei verschiedenster Mittel bedienen. Das Material (machen) und das Immaterielle (sein) sind für sie nur zwei Seiten derselben Medaille.

Entsprechend meiner Absicht weist dieser Essay gleich mehrere Widersprüche auf. In ihrem Künstlerdasein sind EVA & ADELE ein selbsterklärtes und sich selbst ausstaffierendes Lebensmuseum der Zukunft, ein jeden Tag neu entstehendes Wesen mit enger Bindung an kommendes Leben und künftige Kunst. In ihrer Lebensweise gibt es keine provisorischen oder herausgeschnittenen Inhalte - ausgenommen Belange der Gesundheit und der täglichen praktischen Verrichtungen. Man könnte dagegen einwenden, dass EVA & ADELE immer nur dasselbe tun, und das ist ohne Zweifel richtig. Aber der Einwand geht am Wesentlichen vorbei, denn wir alle nehmen Teil an der eintönigen Routine des Alltags. Nur trennen die meisten Menschen das, was sie tun, von dem, was sie sind - sie trennen das Öffentliche vom Privaten. EVA & ADELE treffen keine so eindeutige Unterscheidung zwischen Kunst und Leben. Das käme ihnen ganz einfach nicht mehr in den Sinn. Eine Arbeit wie Mediaplastic No. 130, Frankfurter Allgemeine Magazin (1997-2004) lässt außerdem vermuten, dass ihre Köpfen heute so sehr aneinander geheftet sind und ihre Seelen sich gegenseitig in einem Maß überlagern, das sie ganz und gar unzertrennlich erscheinen lässt. Sie existieren immer in der Gegenwart, ohne eine Vergangenheit im üblichen Sinn, und wir können erahnen, warum das so ist. Bei der Komplexität heutiger zwischenmenschlicher Beziehungen macht sie das zu einem bemerkenswerten Paar. Wollen wir hoffen, dass sie es noch lange bleiben.


1
Renate Puvogel, ‘Wherever we are is Museum’, in: EVA & ADELE. Wherever We Are is Museum, ex.cat., Ger/Eng., Neuer Berliner Kunstverein (13 March-25 April), Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 1999, pp. 17-39.
2 Robert Fleck, ‘EVA & ADELE, Artists of the Future’, in: EVA & ADELE. Close-Up & Blow-Up, ex.cat., Eng/Fr., Galerie Jérôme de Noirmont (24 March-18 May), Paris: Collet, 2000, pp. 3-13.
3 Their work contests in many ways the ‘moulded’ form of thought and the ‘shaped’ character of words in the Beuysian argument (social sculpture), and the designating categories of the Duchampian argument; see Carin Kuoni (ed.), Part One ‘Social Sculpture’, in: Joseph Beuys in America, New York: Four Walls Eight Windows, 1993, pp. 19-53; for Duchamp, see Ecke Bonk, Marcel Duchamp: The Portable Museum, London: Thames and Hudson, 1989.
4 Paolo Bianchi, ‘Art as the Invention of Life’, in EVA & ADELE. CUM, ex.cat., Ger/Eng., Sprengel Museum, Hannover (1 June – 24 August), Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 1997, pp.28-37; see section ‘Gender Hopping of the Aesthetics of the Undecided’.
5 For an adequate discussion, see Gilbert Herdt (ed.), Third Sex Third Gender: Beyond Sexual Dimorphism in Culture and History, New York: Zone books, 1996.
6 Oscar Wilde, A Woman of No Importance, Act 1.
7 For a discussion, see Robert Fleck, in: EVA & ADELE. Wherever We Are is Museum, pp. 59-74.
8 Gesine Last, ‘EVA & ADELE-Two Angels on their Travels’, in: EVA & ADELE. Logo, ex. cat., Ger/Eng., Saarland Museum, Saarbrücken (21 May-23 July, the show travelled to Lübeck, and Dresden), Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 2000, pp. 16-41.
9 For distinctions, see Heiner Bastian, ‘Rituals of Unfulfillable Individuality - The Whereabouts of Emotions,’ in: Andy Warhol Retrospective, Tate Modern (2 October, 2001 – 6 January, 2002), London: Tate Publishing, 2001, pp. 13-38; for Gilbert & George, see Gilbert & George: The Complete Pictures 1971-1985, London, 1986.
10 EVA & ADELE. Day by Day - Painting, ex. cat., Ger/Eng/Swe., Nordiska Akvarellmuseet (9 November 2003-5 January 2004), Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 2003.
11 William Shakespeare, As You Like It, Act 2, Scene 7.
12 Gerhard Richter ‘Notes 1964-65’, in: Gerhard Richter: The Daily Practice of Painting, London, 1995.

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